Wednesday, 22. February 2006
extrem shopping beijing


Shopping bis zum Schwindelanfall
Im Wirtschaftswunderland China boomen die Einkaufszentren. Die weltweit größten Shoppingtempel stehen schon in der Volksrepublik und weitere kommen hinzu. Shoppen in den gigantischen Hallen soll Spaß machen, doch viele Kunden sind überfordert.

Peking - In diesem Kaufhaus avanciert Shopping zur Ausdauersportart. Erschöpft sitzen der Teenager Wang und seine Freundin Niu in der Golden Resources Shopping Mall von Peking auf einer schmalen Bank. "Es ist groß", sagt Wang, "zu groß."

China ist in vielerlei Hinsicht Rekordweltmeister: Es hat die weltweit größte Bevölkerung, besitzt den größten Staudamm, die längste Mauer und es schafft das schnellste Wirtschaftswachstum. Als Symbol für den Boom entstehen überall in der Volksrepublik mächtige Einkaufszentren, und China ist auch bei den Konsumtempeln die globale Nummer eins.

Unter den flächenmäßig zehn größten Kaufhäusern der Welt stehen allein sechs in China. Die Golden Resources Shopping Mall im Nordwesten Pekings ist mit ihren 550.000 Quadratmetern und den 230 Rolltreppen die Nummer zwei. Nur die South China Mall im südchinesischen Dongguang ist mit knapp 660.000 Quadratmetern Verkaufsfläche größer.

Erst auf dem dritten Platz folgt mit der West Edmonton Mall in Kanada das größte westliche Einkaufszentrum. Auf dem achten Platz liegt die Aricanduva Mall in São Paolo. Auf dem zehnten Platz steht die berühmte Mall of America im US-Bundesstaat Minnesota.

Beim Bau ihrer gigantischen Einkaufspaläste kennen die Chinesen keine Grenzen. Ganze Wohnanlagen müssen weichen. Hinter der Golden Resources Shopping Mall ist nur der Xiding-Tempel aus dem 17. Jahrhundert erhalten geblieben. Arbeiter renovieren den Bau derzeit. Im Hof liegen ungeschützt zwei Holzbalken. "500 Jahre alt", sagt ein Arbeiter. Im hinteren Teil ist noch der ehemalige Zustand des Tempels zu sehen: bröckelnde Mauern und ein marodes Dach.

Nebenan in der Glitzerwelt der Golden Resources Shopping Mall reihen sich in langen Gängen rund 1000 Geschäfte aneinander. Kostüme und Anzüge, Sportartikel, Schmuck, Möbel, Bücher, und sogar Autos kann man hier kaufen. Im Angebot sind Markenartikel wie Esprit, Puma, Pierre Cardin und Chanel aber auch unzählige chinesische Neuschöpfungen wie Merc Aorel oder Houshi Boss. Es gibt ein Kino, einen Fitnessclub, eine Disco und eine Fressmeile mit Dutzenden Restaurants. Manche sagen, es dauere mindestens zwei Tage bis Kunden das komplette Angebot erkundet haben.

Mehrere zehntausend Besucher lockt die Mall täglich an. "Wir kommen einmal die Woche hierher", berichtet Familienvater Dong Qingchun, während er seine kleine Tochter mit Erdbeeren füttert. Für den Samstagsbummel fährt die Familie sogar vom anderen Ende der Stadt hierher. "Heute gibt es all diese Dinge, die es früher nicht gab", berichtet Teenager Wang. Vergessen sind die leeren und staubigen Regale der Staatskaufhäuser. Heute soll Einkauf keine pure Notwendigkeit mehr sein, sondern Spaß machen. Den können sich immer mehr Chinesen leisten.

In der Golden Resources Shopping Mall sind die Preise für chinesische Verhältnisse dennoch hoch. Die meisten Produkte können junge Familien wie die Dongs nicht bezahlen. In manchen Geschäften herrscht entsprechend triste Leere. Verkäuferinnen plaudern gelangweilt oder kämmen sich die Haare. Ganze Etagen wirken verlassen und das Lufthansa-Einkaufszentrum, das zum Komplex gehört, ist an diesem Sonnabendvormittag alles andere als gut besucht.

Noch halten sich die Chinesen beim Konsum zurück. Zwar verdienen heute viele Menschen gut, aber sie geben nur wenig aus. Umgerechnet rund 1430 Milliarden Euro liegen auf den Sparkonten. Viele chinesische Einkaufszentren arbeiten daher nicht profitabel, berichtete die englischsprachige Staatszeitung "China Daily". Auch bei der Eröffnung der Golden Resources Shopping Mall gab es deshalb Bedenken.

Doch die Kaufhausmanager hoffen, dass der Konsum eines Tages anspringen wird. "Es kommen mehr und mehr Kunden", sagt Verkäufer Guo Yuan in einem Sportgeschäft. "Am Anfang war das Einkaufszentrum noch nicht so bekannt, aber jetzt hat es sich herumgesprochen."

Allerdings wird die Golden Resources Shopping Mall bald gegen neue Konkurrenten bestehen müssen. Bis zum Jahr 2010 werden sieben der zehn größten Kaufhäuser der Welt in China stehen, schätzen Immobilienexperten. Vielleicht ist der Koloss in Peking gegen diese Konsumpaläste bald ein Zwerg

[www.spiegel.de]

 
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